Hörgeschädigte in Göttingen –
Jahrestreffen in der Gebietskirche

„Wir sind begeistert - das ist gelebte Inklusion!“ So erlebten es Hörgeschädigte mit ihren Begleitern und Betreuern aus der Gebietskirche Nord- und Ostdeutschland sowie Gemeindemitglieder vor Ort am zweiten September-Wochenende 2017 in Göttingen.

Rund 90 Kirchenmitglieder und Gäste aus allen Apostelbereichen der neuen Gebietskirche trafen sich erstmals in diesem Kreis in der Neuapostolischen Kirche in Göttingen. Gemeinschaftspflege und der Gottesdienst am Sonntag zusammen mit der gastgebenden Gemeinde bildeten den Mittelpunkt des Treffens.

Gemeinschaft am Samstag

Die letzten Vorbereitungen waren gerade in den Räumen der Kirche in Göttingen getan, die Kuchenspenden der Gemeindemitglieder angeliefert, da trafen auch schon die ersten Weitgereisten zwischen Nordseeküste und Sachsen am Samstag, 9. September, in unserer Kirche ein. Herzliche Umarmungen, winkende Hände und überall freudige Gesichter – eine lebhafte Begrüßung untereinander. Nachdem alle einen Sitzplatz im Gemeinschafts- und Jugendraum der Kirche gefunden hatten, begrüßte Priester Wolfgang Paetsch (Stade) alle Anwesenden. Als Vorsteher der Hörgeschädigten-Gemeinde eröffnete er das Treffen mit einem Gebet mit lautsprachbegleitenden Gebärden (LBG), das auf diesem Weg Hörende und Gehörlose miteinander erlebten. Das vielfältige Kaffee- und Kuchen-Buffet fand großen Zuspruch und versprach viele Begegnungen. Gegen 16.30 Uhr versammelte sich die Gruppe gemeinsam im Kirchenschiff zur Chorprobe und zu letzten Absprachen für die Gottesdienstgestaltung am nächsten Tag.

Mit zwei herzhaften Suppen und einem feurigen Chili con Carne klang gegen 20 Uhr der Tag in der Kirche aus und alle Angereisten verbrachten den weiteren Abend in zwei Göttinger Hotels.

Gottesdienst am Sonntagmorgen

Fröhliche Betriebsamkeit schon weit vor Gottesdienstbeginn am Sonntagmorgen in der Kirche: 150 Brötchen wurden liebevoll belegt sowie Tische eingedeckt, damit die angereisten Gäste nach dem Gottesdienst noch etwas Gemeinschaft pflegen und sich für die Heimreise stärken konnten.

Die Göttinger Kirche war mit rund 250 Gottesdienstbesuchern gut gefüllt. Die freudige Begrüßung untereinander schaffte schon eine schöne Einstimmung für den Gottesdienst. Priester Paetsch stellte den Gottesdienst unter das Bibelwort Römer 14,19: "Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander." Dabei legte der Priester, der wie alle mitwirkenden Priester seine Predigt in LBG hielt, den Schwerpunkt auf den Frieden. Er ermunterte dazu, den Willen Gottes und mit seiner Hilfe selbst den ersten Schritt zur Versöhnung zu tun und dann in der Stille zu spüren, was sich verändert. An den Nächsten denken, ihn besuchen, einen Liebesdienst tun und ihn mit Frieden zu beschenken, damit zählte der Priester Gaben Gottes auf, die sich zum Segen auswirken und vermehren.

Priester Klaus-Dieter Sontowski (Hameln) wies in seinem Predigtbeitrag darauf hin, dass Friede ernährt und aufbaut, Unfriede aber zerstört. Seine Botschaft an die versammelte Gemeinde lautete, im Zweifel Güte anzuwenden, so wie es Jesus lehrte, und nicht zu verurteilen und zu richten. Priester Tobias Breitenstein (Schönwalde) ergänzte dies mit einer kurzen einprägsamen Geschichte und wies darauf hin, dass es unterschiedliche Wege gibt und man jeden seinen Weg gehen lassen soll. Den eigenen Weg sicher und stark zu gehen schafft man mit einer engen Gottesbeziehung. Priester Olaf Reese (Uetze) stellte seinen Dank für alles, was zum Gelingen dieses Treffens beigetragen hatte, an den Anfang seiner Co-Predigt. „Ich möchte der Gemeinde Göttingen etwas hier lassen und mit auf den Weg geben: Es gibt eine Sammelgebärde, und die geht so...“ und dann zeigte er seine Hände und ließ die Finger der einen Hand zwischen die Finger der anderen Hand wie ein Zahnrad ineinander greifen. „Das bedeutet ‚gut miteinander umgehen‘ – das ist mein Wunsch an diese Gemeinde!“ Er verwies abschließend auf Sirach 25, wo es heißt: "Drei Dinge gefallen mir, die Gott und den Menschen wohlgefallen: wenn Brüder eins sind und die Nachbarn sich lieb haben und wenn Mann und Frau gut miteinander umgehen. (…).“

Anschließend wurden Sündenvergebung und das Heilige Abendmahl gefeiert sowie der Gottesdienst mit dreifachem Segen beendet. Dabei übersetzten weitere Glaubensgeschwister vor dem Altar alle Handlungen gut sichtbar simultan für die Gemeinde in die Gebärdensprache: Anja Koy aus Bordesholm, Annette Sosnitzki aus Bremen Sebaldsbrück sowie Thomas Pietruck aus Stendal, der auch Lieder am Klavier begleitete.

Musik im Gottesdienst

Es ist kein Widerspruch, dass ein Gottesdienst mit Hörgeschädigten auch musikalisch mitgestaltet wird. Nach dem Verlesen des Bibelwortes gebärdeten zwei für die Hörgeschädigten-Gemeinde zuständige Priester ihr mit Klavierbegleitung vorgetragenes Duett und berührten damit die Herzen der Gottesdienstbesucher. Mit spontanem Winken kam sichtbar die Freude der Hörgeschädigten über diesen Vortrag zum Ausdruck. Und auch die Lieder des Göttinger Gemeindechores wurden von sich abwechselnden Glaubensgeschwistern für die Hörgeschädigten gebärdet.

Eine besondere Freude war das abschließende Lied der Hörgeschädigten mit ihren Begleitern und Betreuern: Sie stellten sich vor den Altar und sangen mit Klavierbegleitung und Gebärden das Lied „Ich glaube fest, dass alles anders wird“ (Neuapostolischen Chorbuch Nr. 332).

Eine positive Bilanz

Besondere Beachtung und Anerkennung fand bei allen Beteiligten auch die positive Berichterstattung der Presse: Das Göttinger Tageblatt hatte in einem Vorbericht in ihrer Samstagsausgabe über das „Hörgeschädigten-Wochenende“ informiert. Interessierte Göttinger konnten unter anderem auch daraufhin im Gottesdienst begrüßt und Gespräche miteinander geführt werden.

Zurück bleiben nach diesen beiden Tagen viele freudige und bewegende Begegnungen, emotionale Momente und viele neue Kontakte, die durch das Treffen zustande kamen. Ein herzliches Dankeschön an alle, die die weiten Wege auf sich genommen, die vieles im Vorfeld und vor Ort organisiert und mitgeholfen haben, dieses Wochenende gemeinsam zum Segen aller zu gestalten!